Ein Virus mit Folgen

Ist jetzt der Hybridberater die finale Vertriebslösung?

Auch ein Hybrid aus Vogel und Frosch: Der VoFro

Auch ein Hybrid aus Vogel und Frosch: Der VoFro

Die Corona-Pandemie hat den Sparkassenvertrieb vor große Herausforderungen gestellt. Interne Bereiche wurden lokal an unterschiedlichen Standorten untergebracht, um für den Fall der Fälle handlungsfähig zu bleiben. Geschäftsstellen wurden in der "harten" Phase des Lockdowns geschlossen. Berater mussten den Kontakt zu Ihren Kunden und Ihren Vertrieb allein über das Telefon aufrecht erhalten. Und auch in den Phasen der ersten Lockerungen haben wir schon deutlich gespürt, dass sich viele Kunden vor dem Hintergrund eines Infektionsrisikos scheuen, in eine Geschäftsstelle zu kommen. Der Kontakt zu unseren Kunden war und ist immer noch reduziert.

Ja, die Krise hat weitreichende Folgen... selbst für die Institute, die bereits in den letzten Jahren intensiv in digitale Lösungen zur Durchführung medialer Beratungen investiert haben und vermeintlich gut aufgestellt waren. Natürlich konnten hier die meist wenigen aber gut qualifizierten Mitarbeiter in der medialen Beratung nicht die Termine des stationären Vertriebs vollständig übernehmen. Dafür waren die DBC's entweder noch in der Projekt- oder Einarbeitungsphase oder auch personell schlichtweg zu dünn aufgestellt.

Im stationären Verrieb blieben trotz vieler Überstunden, trotz vieler Beratungen am Telefon, trotz Aufstockung von Kapazitäten im telefonischen Service viele Kontakte, Cross-Selling-Ansätze liegen und somit auch bares Geld auf der Strecke. Nicht zuletzt die Gefahr eines erneuten Lockdowns, als auch die Befürchtung, dass sich ähnliche Situationen in Zukunft wiederholen werden, brachte in der Folge allerdings einige Geschäftsleitungen ins Handeln.

Drei Handlungsalternativen für Vertrieb ohne stationären Kontakt

Dabei war natürlich in den Zeiträumen der Kontaktbeschränkungen schnelles Handeln erforderlich. Über Webinare wurden Kundenberater für die Facetten der Beratung ohne den persönlichen Kontakt in der Filiale geschult. Die Grafik aus einem Webinar macht die Bandbreite und Möglichkeiten der Interaktionen deutlich.

So kann natürlich bei wenig erklärungsbedürftigen Produkten eine Beratung ausschließlich auf der "Tonspur", also telefonisch, erfolgen. Als Berater habe ich auch die Möglichkeit, vor dem vereinbarten telefonischen Beratungsgespräch Unterlagen auf dem Postweg oder als E-Mail-Anhang zuzusenden. Hier bin ich dann schon etwas flexibler unterwegs und kann auch etwas komplexere Sachverhalte anhand der Unterlagen (remote) erläutern. Nachteil: Ich weiß nicht, ob der Kunde tatsächlich das sieht und vor Augen hat, was ich jetzt gerade erläutere. Die Kontrolle über den Prozess fehlt.

Und natürlich gibt es auch hier noch die dritte Variante. Ich berate den Kunden mit Unterstützung technischer Applikationen live und online. Ob der Beratungsprozess dann tatsächlich vom Kamerabild des Beraters begleitet wird und die volle Palette digitaler Interaktionsmöglichkeiten über Skype for Business, Talkevent, Go to Meeting, Webex oder andere Videokonferenz-Anwendungen genutzt wird oder nur einfache Screen Sharing Tools wie Mikogo eingesetzt werden, war dabei zunächst einmal nicht entscheidend.

Mit den Rahmenbedingungen und der Technik improvisieren

In vielen Häusern kam es in der Corona-Situation vielmehr darauf an, schnell zu handeln und die vorhandene Infrastruktur möglichst effizient einzusetzen. Die Thin-Client-Umgebung und die teilweise geringen Bandbreiten im Netz gaben hier meist den Handlungsspielraum vor. So wurde ich bei einigen Umsetzungsprojekten auch mit bisweilen sportlichen technischen Lösungsansätzen konfrontiert.

An dieser Stelle nur ein Beispiel aus einer Sparkasse: I-Pads mit einem offenen Netzzugang waren in den Filialen flächendeckend verfügbar. Ebenso war man in der Lage, sehr schnell und relativ günstig Go to Meeting Zugänge auf den Beraterrechnern und die entsprechenden Apps auf den Tablets zu installieren. Die Herausforderung war, dass in der Citrix-Umgebung am Beraterrechner wohl das Teilen der OS-Plus_neo-Anwendung auf den Rechner des Kunden möglich war, aber über diese Leitung kein Ton und kein Kamerabild transportiert werden können. Die Lösung: Man hat das Tablet als 3. Teilnehmer in die Session eingeladen und konnte jetzt auch Bild und Ton über die Anwendung übertragen und somit mit dem Kunden uneingeschränkt kommunizieren.

Meine ersten Vorbehalte, dass das sowohl für den Kunden als auch für den Berater eine zu komplexe Kommunikationssituation ist, musste ich allerdings schnell, zumindest teilweise revidieren. Es funktionierte tatsächlich, wenngleich die technischen Anforderungen an den Berater hoch sind.

Corona als Evolutionsbeschleuniger?

Der erste Eindruck im April und Mai war, dass sich jetzt die ganz Welt aufmacht, um nur noch digital zu kommunizieren. Die Bandbreiten im Netz wurden knapp. Streaming-Dienste wie Netflix reduzierten Ihre Bandbreite, um der Nachfrage Herr zu werden. Der Abo-Absatz für Videokonferenzsysteme explodierte. Und damit auch die Zahl der Menschen, die in einigen betrieblichen Videokonferenzen mit Ihrem Verhalten vor der Kamera für Empörung, lautes Lachen oder zumindest Schmunzeln gesorgt haben. Ich denke, da kann nahezu jeder von uns eine Geschichte erzählen.

Auch hat "Otto Normalverbraucher" seine Skepsis, diesen Kommunikationskanal zu nutzen, zumindest etwas relativiert. Erstmals wurden auch Menschen, vor allem ältere Mitbürger, an die Videofonie herangeführt, die zuvor keinen Gedanken an das Thema verschwendet haben, Not mach erfinderisch und senkt auch Hemmschwellen.

Die Situation in diesen Monaten machte aber auch deutlich, dass die Infrastruktur an ihre Grenzen kam. Deutlich wurde auch, dass in unseren Unternehmen noch erhebliche Anstrengungen unternommen werden müssen, digital fitter zu werden - und das betrifft zum Einen die rein technischen Infrastruktur, aber auch das Know-How von Mitarbeitern und der für die Implementierung von digitalen Lösungen verantwortlichen Mitarbeiter.

Den Kunden mitnehmen! Kann der digitale Schwung beibehalten werden?

War die Bereitschaft der Kunden zu Beginn der Pandemie und vor dem Hintergrund der Schließung der Präsenzberatung noch sehr hoch, sich telefonisch oder aber auch "vollmedial" beraten zu lassen, hat diese Begeisterung doch mittlerweile wieder abgenommen. Sobald der stationäre Vertrieb wieder seine Pforten öffnete, gingen auch die Kunden wieder in die Filiale. Nicht alle, gewiss. Ein großer Teil hält sich aus Angst vor einer Ansteckung immer noch zurück und meidet, wenn möglich, öffentliche Räume. So berichtete mir der Individualkundenbetreuer einer Sparkasse: "Mit Wiedereröffnung der Filialen sind meine telefonischen und digitalen Beratungen über GoToMeeting wieder auf vier bis sechs Gespräche in der Woche reduziert."

Diese Entwicklung und die einzelnen Statements zeigen, Kunden verhalten sich wie Wasser. Sie nehmen den einfachsten und schnellsten Weg. Doch was bedeutet das für uns, wenn wir dieses Verhalten analysieren. Die erste Scheu wurde abgebaut, Hemmschwellen niedriger. Es gilt jetzt, diesen ersten "Fuß in der Tür" nachhaltig zu nutzen. Den Zugang und die Möglichkeiten für den Kunden noch bequemer und einfacher gestalten. Wir können jetzt einfach nicht nachlassen und dürfen den ersten Schwung, der in die digitalen Beratungen gekommen ist, nicht verebben lassen. Schließlich sind es nicht zuletzt auch die Kosten, die der stationäre Vertriebsweg verursacht, der auch die Controller in der Geschäftsleitung sensibilisiert.

Sind unsere Berater eigentlich schon ausreichend digital affin?

An dieser Stelle erhalten Sie von mir ein klares "Jein". Die Affinität für digitale Beratungen bei unserer Kollegen im stationären Vertrieb ist genau so wie bei unseren Kunden gut verteilt. Da gibt es den jungen Berater mit Tendenz zum technischen Nerd, der jede Innovation begierig aufsaugt und damit hadert, dass sich seine Apple-Watch noch nicht mit Lotus Notes synchronisieren lässt. Da gibt es aber auch den Filialleiter, der am liebsten seine Kundentermine noch in einem Leporello-Faltkalender pflegen möchte und das auch tun würde, wenn das nicht zu einem lautstarken Protest im Kunden-Service-Center führen würde.

Es gibt beide Ausprägungen. Wenngleich man leider konstatieren muss, dass unsere Kunden da teilweise weiter und somit digital affiner sind als Ihre Berater. Ich habe vor kurzem noch aus nächster Nähe mitbekommen, wie ein Sparkassenvorstand die bei ihm stark blutdrucksteigernde Mitteilung erhielt, dass die Onlinebanking-Nutzungsquote der eigenen Mitarbeiter geringer als der Kundendurchschnitt ist. Und das ist bei weitem kein Einzelfall.

Ebenfalls kein Einzelfall ist, wie attraktiv unsere Berater eine Stelle als DBC-Kundenberater empfinden. Praxisbeispiel: Da werden in einer Sparkasse mittlerer Größe vier Stellen eines Privatkundenbetreuers im DBC ausgeschrieben. Potenziell angesprochen müssten sich rund 400 Mitarbeiter fühlen, die rein formal das Anforderungsprofil erfüllen. Beworben haben sich Zwei! Und das bei gleichen Rahmenbedingungen und Bezahlung. Haben denn wirklich diese Mitarbeiter noch nicht verstanden, dass dieser Job der Arbeitsplatz der Zukunft ist? Das ich mit diesen Qualifikationen und Erfahrungen, die ich hier als Pionier sammeln kann, meinen Marktwert deutlich steigern kann? Das ich mir hier einen der wirklich zukunftssicheren Arbeitsplätze in einer Sparkasse sichern kann?

Und vielleicht ist diese Haltung und Einstellung auch eine Folge der wieder zurückgehenden digitalen Beratungen in Zeiten der Lockerung der Kontaktbeschränkungen. Schließlich gehen auch hier viele Mitarbeiter den eher bequemeren Weg.

Festzuhalten bleibt: Gerade bei diesem Thema sind enorme Anstrengungen notwendig, die Berater in diese digitale Zukunft mitzunehmen. Dazu gehört auch, dass ich als Unternehmen unmissverständlich klar machen muss, dass der Markt und auch die Sparkasse sich nachhaltig verändern werden. Dass die Geschäftsmodelle der Vergangenheit in den 2030er Jahren keinen Platz mehr haben werden. Es wird einfach keine analogen Nischen mehr geben, in die man sich zurückziehen kann. Und das muss auch der letzte Mitarbeiter begreifen.

Und auch jede Geschäftsleitung. Auch hierzu ein Beispiel: So habe ich es für ein absolut falsches Signal gehalten, in der Corona-Pandemie die Erreichung von Zielen vollständig auszusetzen.

Betriebsgröße als Entscheidungskriterium

Die Überzeugung, dass sich die digitale Beratung durchsetzen wird, hat sich in den Führungsetagen mittlerweile etabliert. Doch gerade für kleinere Häuser ist der Aufbau eines DBC nach VdZ-Standard logistisch eine Herausforderung. Müssen doch die Mengengerüste zur Auslastung von zwei oder drei digitalen Individual- oder Komfortkundenberatern (und das ist eine Größenordnung, die vor dem Hintergrund von Vertretungsregelungen einfach notwendig ist) erst einmal dargestellt werden. So überrascht es nicht, dass gerade kleinere Institute den Aufbau von Omnikanallösungen und Hybridberatern in Erwägung ziehen.

Die besondere Herausforderung: Auch hier müssen die Kunden an den neuen Kommunikationskanal heran geführt werden. Und: Die Menge der diesem Hybridberater zugeordneten Kunden muss zwingend zu einem großen Teil den digitalen Kanal bevorzugen.

Videoberatung kann man nur kompetent durchführen, wenn man dies als Berater auch regelmäßig tut. Und hierzu ist eine "Schlagzahl" von mindestens 6-8 qualifizierten digitalen Beratungsgesprächen in der Woche notwendig. Somit sind auch bei Hybridlösungen Maßnahmen zur Kundenakquise und Veränderungen in der Kundenzuordnung zwingend notwendig.

Das Virus hat Türen geöffnet

Egal, ob man die nähere Zukunft beim Hybridberater oder in der DBC-Lösung sieht. Fest steht, dass die Corona-Pandemie keine Revolution verursacht hat. Allerdings hat die seit nunmehr 9 Monaten anhaltende Krise der Evolution der digitalen Beratung einen deutlichen Anschub gebracht und bei unseren Kunden viele Türen geöffnet. Der Berater in der Fläche, der nicht nur stationär sondern auch kompetent digital beraten kann, wird so einige Jahre eher Realität. Das DBC als Übergangslösung wird in den nächsten Jahren meines Erachtens unverzichtbar bleiben. Daneben wird es aber in Abhängigkeit zur Betriebsgröße viele andere Lösungsansätze geben, die sich Ihren Weg in die Vertriebsrealität der Sparkassen bahnen werden.

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